Heute hieß es für mich raus aus dem Büro und ab an den Stadtrand. Eines sei vorweggenommen, ich war selbstverständlich zum Arbeiten dort. Und nein, nicht diese Art von Arbeit…
Telos: Stundenhotels sind in Argentinien ganz normal
Ich habe mich entschieden, über Telos zu schreiben. Telos, das sind argentinische Stundenhotels und von denen gibt’s in Buenos Aires so viele wie Sandkörner an der Ostsee. Aber warum das Ganze? Warum über irgendwelche dunklen Spelunken in verranzten Außenbezirken berichten? Gerade deswegen! Gerade, weil es überhaupt nicht so ist. Denn die Telos, ja, die sind hier etwas ganz Besonderes.
Auf der Suche nach den besten Telos in Buenos Aires
Ich besuche das JJ im Stadtbezirk Nuñez. Schon die diskrete Einfahrt ist elegant beleuchtet und es wird noch besser: Ein adrett gekleideter Herr übernimmt die Zimmerzuweisung, es gibt verschiedene Preiskategorien. Wem immer noch die beklemmenden Gedanken an Prostituierte und heruntergekommene Absteigen im Kopf herumgeistern, dem sei gesagt: Hier in Argentinien ist es Gang und Gebe, in ein Telo zu gehen. Sie haben keinen schlechten Ruf, sondern gehören zum Alltagsleben dazu. Hier sind Stundenhotels Zufluchtsort für Affären, Gelegenheitsbekanntschaften und junge Pärchen, denen es zu Hause bei den Eltern zu eng wird.
Im JJ gibt es Zimmer der Extraklasse: Wer ein bisschen mehr investiert bekommt einen eigenen Jacuzzi, Regendusche, einen privaten Garten, masionettartige Zimmer und vieles mehr. Und wer Hunger hat, der bestellt einfach beim 24 Stunden Service etwas Leckeres – zum Beispiel Tapas oder Sushi. Diskretion ist das höchste Gebot – das Essen wird in einem Raum zwischen Tür und Zimmer abgestellt. Und wem die Zeit nicht reicht, verlängert den Aufenthalt einfach via Telefonanruf.
Eine Nacht für vier Euro
Doch es geht auch anders. Die günstigeren Telos kosten gerademal vier Euro für zwei Stunden, sind aber im Gegensatz zu den Luxusbauten ganz normale Zimmerchen. Abends erkennt man sie an den blauen Lämpchen, tagsüber am kleinen, unscheinbaren goldenen Schild „Albergue Transitorio“. Doch auch sie haben einen guten Ruf. Und als ich meinen argentinischen Mitmenschen vom Vorhaben berichte, so ist die Antwort „Ay que liiiindo, que tema lindo!“ – Ach wie schööön, was für ein schönes Thema.
Ein paar Telos und viele Stunden (mit Kaffeepausen) später befinde ich mich mal wieder im Nirgendwo. Ich frage nach. „Hier ist die Provinz, da fängt die Stadt an.“ Herzlichen Dank. Und so endet mein Tag, an dem ich wahrscheinlich mehr Telos von innen gesehen habe als der größte Aufreisser von Buenos Aires.
Hier geht’s zum fertigen Artikel im Hamburger Abendblatt und der Welt.
2 Gedanken zu „Argentinien: Ich komm heut nicht ins Büro, ich geh‘ ins Stundenhotel!“
Hallo Sarah, wo bist du gerade? Schaffst du es nach Kolumbien bis November? Ich hab eine ähnliche Idee mit den Geschichten über Orte und Einheimische in Südamerika. Vielleicht machen wir mal was zusammen?
pass auf dich auf!