Wer seine zarten Füßchen aus der argentinischen Wohlstandsblase über die bolivianische Grenze ins Städtchen Villazón setzt, wird einen kleinen Kulturschock erleiden. Grenzstädte sind eine Pest und oft so angeglichen, dass sie zu einer einzigen Stadt verschmelzen. Nicht so an der argentinisch-bolivianischen Grenze. Die Einreise ist einfach und geht problemlos schnell, aber ausreisen wollen definitiv mehr Menschen. An der Grenzstation bettelt ein kunterbuntes Plakat: „Steh zu deinem Land, registrier dich als bolivianischer Staatsbürger. Bolivien braucht dich, steh zu deinen Wurzeln“.
Villazón, Bolivien: Eintritt in eine bunte Parallelwelt
Auf der anderen Seite erwarten uns Menschengewusel, Dreck, Gemüsesuppen, Staub und Chaos. Wir wollen Geld abheben, doch unsere Karten funktionieren nicht. Das kommt öfter mal vor in Bolivien. So sind wir zunächst mittellos – und ein kleines bisschen hilflos, denn der Bus nach Tupiza kann nur bar bezahlt werden. Nach einer Weile finden wir endlich einen funktionierenden Geldautomaten. Was kostet die Welt? Was kostet Bolivien? Als Europäer ist man hier König – denn Bolivien ist spottbillig. Ich frage mehrmals nach, ob ich mich verhört habe. Nein, das Eis, das Busticket, die Wasserflasche, alles, alles ist unbeschreibbar günstig. Willkommen im Königreich Bolivien.
Busticket für einen Euro: Drogenrazzia inklusive
Nach Durchkämpfen des Menschengewusels besitzen wir endlich ein Busticket nach Tupiza – für umgerechnet 1 € für knapp 2 1/2 Stunden Fahrt. Der Bus fährt offiziell um 16 Uhr ab, erscheint aber nicht vor 17 Uhr. Willkommen im wahren Südamerika. Beim Einsteigen wird erst einmal der ganze Müll aus dem Busfenster geworfen – dein Land, dein Mülleimer. „Cholitas“, so heißen die traditionell gekleideten Damen, schleppen riesige Tüten und Säcke voll mit Krimskrams zum Gepäcklager des Busses – alles sieht gleich aus, wer hier sein Zeug wiederfinden will, sollte es gut markieren. Ich finde es bemerkenswert, wie sie ihre bunten Stofftücher so über den Rücken zusammenbinden, dass ihre Babys nicht hinausfallen. Kurz nach Abfahrt erwartet uns dann ein ganz besonderes Willkommengeschenk – eine kleine Drogenrazzia. Polizisten durchkämmen das Gepäckabteil, zwei weitere laufen mit Messsern durch den Bus, um eventuelle Päckchen aufzuschlitzen. Herzlich Willkommen in Bolivien.
Pizza in Bolivien?
Ich nehme meine erste Coca-Pille, die ich gegen die Höhenkrankheit in einer kleinen Apotheke erworben hatte. Ob’s Placeboeffekt ist, sei mal dahingestellt, hauptsache nicht für Tage flachliegen. Die Dunkelheit legt sich über die felsig-schroffe Landschaft, während wir Dörfchen für Dörfchen abfahren. Dann sind wir da. Gleiches Chaos in Tupiza wie in Villazón, nur dass die Sonne nicht mehr scheint.
Unser Hunger treibt uns in die beste Pizzeria der Stadt. Und das ist ausnahmsweise nicht ironisch gemeint, es war wirklich die beste Pizza, die ich seit langem gegessen hatte. Und dann kam es, wie es kommen musste: Ich habe mich verliebt. In Luis-Armando, einen 8-Jahre alten, bolivianischen Jungen, der uns bedient. Ich hätte ihn am liebsten sofort adoptiert. Ob das Restaurant seinen Eltern gehöre, frage ich ihn. Nein, nein, lacht er nur, er sei hier fest angestellt und arbeite jeden Tag von acht bis neun. Dass Kinder in Bolivien arbeiten, ist ganz normal.
Der wahre wilde Westen liegt in Südbolivien
Am nächsten Tag suchen wir das Glück der Erde auf dem Rücken der Tiere, die ich eigentlich gar nicht so gerne mag. Ein Reitausflug rund um Tupiza steht an, mit Cowboyhut, leicht verwildert aussehenden Pferden und zwei zwielichtig angehauchten Tourguides. Mit den drei anderen deutschen Jungs (aus der verbotenen Stadt), die zufällig im gleichen Hostel eingecheckt hatten, gehts in die bolivianische Prärie.
Mein Pferd Lorena ist alleinerziehende Stute, hat ihr Kind ohne Namen mit dabei und macht grundätzlich genau das Gegenteil von dem, was die anderen Pferde so machen. Es hat schon was vom wilden Westen, doch nach 3 Stunden haben wir auch genug. Wir müssen Kräfte sparen für die nächsten vier Tage in der Salzwüste.
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