Ein sinnloser Text über eine sinnlose Haltestelle in Madrid, an der es nichts zu sehen gibt. Das ist Bambú.
Ein Mysterium, das es zu ergünden galt
Ich hatte sie schon auf der Hinfahrt vom Flughafen entdeckt. Denn auf der langweiligen Fahrt durch halb Madrid liest man sich eben alle Haltestellen durch, die auf dem Fahrplan stehen. Und auf meiner Linie, der hellblauen Linie 1, da fand ich sie. Die Haltestelle meines Vertrauens. Bambú.
Bambú. Als ich den Namen las, wusste ich, dass ich dorthin musste. Denn Bambú – zu deutsch Bambus – klang äußerst vielversprechend. Ich malte mir den Ort aus: Wildwuchernde Bambusstangen durchziehen die sauberen Straßen, bunte Blumen spiegeln sich in den Fesnterscheiben der weißgestrichenen Einfamilienhäuser. An der Kreuzung eine kleine Eisdiele mit dem besten Eis der Stadt, davor spielende Kinder und ein Hund, der träge in der Sonne liegt. Kleine Antiquitätenläden, die sich aneinander reihen, ein Straßenmusiker, der auf einer Panflöte aus Bambus….na gut, das geht jetzt echt etwas zu weit.
Und keiner stieg aus
Ruhig schlafen konnte ich schon lange nicht mehr, fragte ich mich doch, wie es wirklich in Bambú aussah. Je länger ich wartete, desto größer wurden meine Erwartungen. Und dann, am dritten Tag in Madrid, war es soweit. Ich zog los und nahme die Linie 1 bis nach Bambú.
In der Metro schaute ich mich um, überlegte, welche Fahrgäste noch bei Bambú, eine Haltestelle vor Endhaltestelle, aussteigen würden. Schräg gegenüber saß ein alter Mann mit kleinen Blumentöpfchen in den Händen. Ich war mir sicher, er stieg in Bambú aus. Dann endlich die Durchsage: Nächste Haltestelle, Bambú.
Ich stand auf, keiner sonst stand auf. Keiner sonst stieg aus. Ich war allein in Bambú.
Eine Mauer…
Erwartungsvoll stieg ich die Treppen hinauf, fest davon überzeugt, Großartiges anzutreffen. Denn irgendetwas gibt es ja immer irgendwo. Nicht so in Bambú.
Ich kam raus, wischte meine Augen von der grellen Sonne und starrte auf…eine Mauer. Nein, erwartet jetzt kein „und“. Ich starrte auf eine Mauer. Das wars. Ok, da war noch eine Straße, die an der Mauer entlangführte. Sie ließ mir die Wahl, rechts oder links an der Mauer entlangzugehen. Die Enttäuschung legte sich wie ein Bleiklotz auf meinen Brustkorb.
Eine Lokomotive…
Nach zehn Minuten erblickte ich etwas, das aussah wie die Sehenswürdigkeit von Bambú: Eine alte Lokomotive auf dem Grünstreifen zwischen den Autobahnspuren. Wahnsinn. Ich war so sprachlos, dass ich vergaß, ein Foto zu machen. Aber keine Sorge, ihr werdet sie auch ohne meine Hilfe finden, wenn ihr nach Bambú fahrt.
Nach der Mauer fing die Autobahn an. So recht wusste ich nicht, wie lange der Gehweg noch existieren würde. Nach ein paar kleinen Umwegen erreicht ich schließlich die nächste Metrohaltestelle und fuhr in den Retiro-Park, um Kekse zu essen. Die Enttäuschung saß eben tief. Und im Retiro gabs wenigstens richtigen Bambú.