Schon eine falsche Bewegung kann Schüsse auslösen: Die Entmilitarisierte Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südkorea gilt derzeit als gefährlichste Grenze der Welt – das schreit doch geradezu nach einem Besuch.
Die Tour an die Grenze nach Nordkorea beginnt
Der Bus ist gerammelt voll, die letzten quetschen sich auf ihre Sitze, dann geht es auch schon los. Die Stimmung ist ausgelassen, unser erster Stopp ist das Kriegsmuseum in Seoul. Unser Tourguide scheint freundlich, ist aber aufgrund seines starken koreanischen Akzents nur schwer zu verstehen. Ein paar Reihen hinter uns wird für eine kleinere chinesische Reisegruppe simultangedolmetscht. Hier im Bus realisiert man nur sehr langsam, wohin es eigentlich geht: Nämlich in die am schärfsten bewachte Grenzregion der Welt.
Dresscode für die Grenze von Nord- und Südkorea
Vor der Tour wird jeder Teilnehmer darauf aufmerksam gemacht, Shorts und aufgerissenen Jeans zu Hause zu lassen, wenn man nicht als Propagandafutter für die nordkoreanische Regierung dienen will. Denn nordkoreanische Soldaten schleichen gelegentlich paparazzilike um die Reisegrüppchen herum und machen heimlich Fotos. Wer schludrig herumläuft, wird gern dem nordkoreanischen Volk gezeigt, ganz nach dem Motto „Seht her, die Leute im Westen sind zu arm, um sich vernünftige Kleidung zu leisten.“
Nach einem viel zu kurzen Besuch des Kriegsmuseums (das übrigens sehr zu empfehlen ist!) schlängelt sich unser Weg gen Norden Richtung Grenze. Die Straßen werden leerer, die Militärposten und Stacheldrahtzäune häufen sich. „Dort in der Ferne seht ihr Nordkorea“. Ich erhasche meinen ersten Blick auf das abgeschottete Land hinter dem Fluss. Viel sehe ich nicht, es ist diesig.
Ein Bahnhof, von dem keine Züge abfahren
Hochmodern ist der Dorasan-Bahnhof. Er befindet sich bereits in der DMZ und ist der letzte Bahnhof vor Nordkorea. Hier entlang führt die Zugstrecke von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul in die nordkoreanische Hauptstadt Pjönjang – theoretisch.
Nur Züge verkehren hier nicht – schließlich stehen beide Nationen im Krieg und ein Übertreten der Grenze ist unmöglich. Lediglich ein menschenleerer Zug fährt hin und wieder von Seoul bis nach Dorasan. Er wird „Tongil“ genannt – zu Deutsch „Vereinigung“.
Man kann sich allerdings vorsorglich schon einmal Fahrkarten nach Pjönjang kaufen – vielleicht werden die Grenzen ja eines Tages wieder geöffnet.
Geteilte Familien, doppeltes Leid – Imjingak
Ende des Zweiten Weltkriegs, nachdem Korea jahrzehntelang von Japan annektiert und ausgebeutet worden war, besetzten die USA sowie die Sowjetunion das Land. Das heutige Nordkorea stand unter der Regierung der Sowjetunion, die USA besetzten das heutige Südkorea.
Am 38. Breitengrad wurde 1945 eine Demarkationslinie vereinbart, welche die zwei Besatzungszonen voneinander trennte. Irgendwie gruselig. Und noch viel gruseliger: In der Vergangenheit wurden immer wieder Angriffstunnel entdeckt, die von Nordkorea gebaut wurden. Der dritte Infiltrationstunnel kann heutzutage von Touristen besucht werden.
Die vorübergehende Lösung wurde zum Dauerzustand. Bis heute stehen völkerrechtlich gesehen beide Staaten miteinander im Krieg – es gibt keinen Friedensvertrag, sondern lediglich ein Waffenstillstandsabkommen.
Die Teilung Koreas riss viele Familien auseinander. Einen kleinen Trost sollte der Imjingak-Park spenden: Er ist der nördlichste Punkt Südkoreas, den man ohne Genehmigung der Regierung erreichen kann und von dem man einen Blick auf die Hügel des ca. 7 km entfernten Nachbarlandes erhaschen kann.
Hier befindet sich auch die „Bridge of Freedom“ – ein bewegender Ort. Bunte Bänder erinnern an die unerreichbaren Familienmitglieder im Norden.
Es geht Richtung Joint Security Area (JSA)Nach einem kurzen Lunch ging es richtig los. Was vorher eher wie eine Art Bespaßung rüberkam, wurde jetzt Ernst. Wir passierten den ersten Checkpoint, ein südkoreanischer Soldat stampfte durch den Bus und kontrollierte hektisch unsere Reisepässe. Dann waren wir in der DMZ – ab jetzt durften keine Fotos mehr gemacht werden, nur, wenn es die Reiseleitung ausdrücklich genehmigte.
Wir erreichten den UN-Militärposten Camp Bonifas. Ab jetzt übernahm ein amerikanischer Soldat die Leitung. Auch er kontrollierte noch einmal unsere Pässe. Wir mussten alle unsere Wertsachen im Bus zurücklassen (bis auf das Handy für Fotos). Würden wir in der JSA etwas verlieren, bekämen wir es nicht mehr zurück) – da wir nun nicht mehr auf Landesboden waren, sondern auf UN-Gebiet.
Er wollte nach North Carolina, jetzt isst er billige Eiscreme in der JSA
„Hey guys, ich wusste gar nicht, dass diese Zone überhaupt existiert, als hierhin versetzt wurde“, sagt Soldat Robinson im tiefsten Amislang. „Ich wollte nach North Carolina, jetzt bin ich hier.“ Der 19-Jährige, der sagt, er könne uns trotz seines Alters beschützen, scheint nicht wahnsinnig überzeugt von seiner neuen „Heimat“.
Ich gebe zu, auf einer kreisartigen Fläche von nur 800 Meter Durchmesser, die nicht viel mehr zu bieten hat als billige koreanische Eiscreme („This Ice-cream is lifechanging“ – Robinson), würde ich mich auch etwas langweilen.
Wäre da nicht die Tatsache, dass man lediglich einen Steinwurf (was man aber nicht ausprobieren sollte mit dem Steinwurf) von Nordkorea stationiert ist, das selbst kleinste Verfehlungen gerne als Provokation auffasst und erst eine Woche vor unserem Besuch „ganz ausversehen“ eine kleine Drohne über die Grenze fliegen gelassen hat.
Was genau habe ich da jetzt unterschrieben?
Vor dem Besuch der Grenze stand ein Briefing im Camp an. Nordkoreanischen Soldaten nicht in die Augen schauen, keine Gesten Richtung Nordkorea, keine Fotos Richtung Südkorea – damit die Nordkoreaner die auf Social Media Kanälen geposteten Fotos von Südkorea nicht analysieren können (etwa auf Kameratypen und -positionen).
Jeder Teilnehmer bekam einen Zettel in die Hand gedrückt, den er ganz schnell unterschreiben musste. Was draufsteht, lässt einen das Blut in den Adern gefrieren (wenn man schnell genug lesen kann, sonst ist man wahrscheinlich recht entspannt).
Übersetzt steht dort unter anderem, dass man sich nun auf Feindesgebiet befindet, und wenn man verletzt wird oder stirbt, niemand die Verantwortung dafür übernimmt.
Mmmm…okay. Zu spät.
Wer hat den Längeren?
Wir mussten den Bus wechseln. Schließlich waren wir jetzt unter Aufsicht der UN und mussten uns mit einem Militärbus auf dem Gelände weiterbewegen. Und wieder: Keine Fotos!
Uns begegneten einige wenige Autos, die ein UN-Fähnchen am Fenster hatten. Um uns herum ein paar Reisfelder und Grenzposten. In der Ferne wehten zwei Fahnen, die südkoreanische und die nordkoreanische. Die nordkoreanische ist natürlich deutlich größer als die südkoreanische. Haben die aber auch nur gemacht, weil die norkoreanische vorher kleiner war. Das durfte in deren Augen wohl nicht so sein.
Eine Stadt, die keine ist: Propaganda Village
In der Entmilitarisierten Zone (deren Name sowas von paradox ist, weil hier einfach nur Militär ist) gibt es noch zwei Dörfer – ein südkoreanisches, Daeseondong, oder auch „Freedom Village“ genannt sowie sein nordkoreanisches Pendant, das von den US-Soldaten „Propaganda Village“ genannt wird (hier steht auch die überdimensionale nordkoreanische Flagge, Unnützes Wissen: viertgrößter Fahnenmast der Welt).
Der Name rührt daher, dass höchstwahrscheinlich niemand dort lebt und die Hochhäuser nur Fassaden sind. Lichter werden mit Zeitschaltuhren betrieben und hin- und wieder ein Teil der Bevölkerung dorthin kutschiert, um Leben vorzugaukeln. Übernachten tut hier niemand, denn offensichtlich haben die Hochhäuser weder Etagen noch Zwischenwände.
Übrigens: Die Bauern des südkoreanischen Daesondong haben eines der besten Einkommen Südkoreas und zahlen keine Steuern. Allerdings müssen sie mit Anbruch der Dunkelheit in ihre Häuser zurück und die Türen verriegeln. Frauen dürfen in die Gemeinschaft einheiraten, Männer nicht. Also könnt ihr euch mal überlegen, ob ihr Bock dazu habt.
Auge in Auge mit Nordkorea
Wir erreichten die Joint Security Area, die gemeinsame Sicherheitszone.
Der Bus stoppte vor dem Freedom House an. Gleich würden wir Nordkorea sehen, direkt an der Grenze stehen und sie auch überschreiten. Wie Schulkinder mussten wir uns auf der Treppe in Zweierreihen aufstellen. Dann kam das Go.
Die Grenze ist wie ein kleiner Bordstein – auf der südkoreanischen Seite liegt Kies, auf der nordkoreanischen noch feinerer Kies, auch Sand genannt ;-).
Die blauen Häuschen stehen genau auf der Grenzlinie – hier wurden in der Vergangenheit Verhandlungen zwischen beiden Seiten durchgeführt. Den ganzen Tag stehen sich hier nord- und südkoreanische Soldaten gegenüber, in ständiger Bereitschaft, zu agieren. Sie tragen Sonnenbrillen – so sind sie gefeit vor provozierenden Blicken der Gegenseite.
Wir wurden von einem nordkoreanischen Soldaten mit Feldstecher von der gegenüberliegenden Seite inspiziert. Irgendwie surreal dieser Ort – diese Grenze sieht so mickrig aus, doch sie zu überschreiten würde so ziemlich das Ende bedeuten.
Und plötzlich stand ich in Nordkorea
Dann ging alles ganz schnell. In Zweierreihen wurden wir in das blaue Häuschen gelotst, in dem zwei südkoreanische Soldaten mit geballten Fäusten in Taekwondo-Stellung standen und aufpassten, dass keiner eine falsche Bewegung macht.
Und da war sie schon, die falsche Bewegung. Ein Mitreisender reichte seine Kamera über den Konferenztisch, der genau auf der Grenzlinie zwischen Nord- und Südkorea platziert ist. Die Faust des Soldaten schoss in Sekundenschnelle hervor und wieder zurück. Eine Warnung.
Nichts über den Konferenztisch reichen. Nicht zu nah an den Soldaten stehen. Nicht das UN-Fähnchen auf dem Konferenztisch berühren. Und bloß nicht durch die hintere Tür gehen. Denn dann steht man in Nordkorea – und wird dort ein paar Jährchen bleiben müssen. Ein illegaler Grenzübertritt wird zumeist mit 10 Jahren Haft bestraft – nach oben offen, wie wir wissen.
Es ist nur innerhalb des blauen Gebäudes erlaubt, die Grenze zu überqueren. Solltet ihr noch etwas in eurem Leben vorhaben, würde ich euch auch raten, dies zu befolgen 😉
Ende eines surrealen Ausfluges
Dann war es plötzlich schon vorbei. Es ging zurück zum UN-Bus und zum Camp Bonifas.
Auf dem Weg dorthin passierten wir die „Bridge of no Return“ (die aus Sicherheitsgründen nicht mehr besucht werden darf).
Hier wurden früher Kriegsgefangene ausgetauscht. Sie konnten wählen, ob sie in dem Korea bleiben wollten, das sie gefangen genommen hatte oder ob sie in “ihr” Korea zurückkehren wollten. War die Wahl einmal getroffen, durften sie nie wieder in das andere Korea zurück.
Zurück im Camp Bonifas. Hier gab es einen kleinen Souvenirladen, wo man neben irgendwelchem Army-Zeugs auch die „lifechanging Ice-cream“ kaufen konnte.
Wie gesagt, irgendwie surreal, dieser Ort.
Häufig gestellte Fragen zur DMZ/JSA Tour
Was ist der Unterschied zwischen DMZ und JSA und welche Tour würdest du empfehlen?
Die DMZ ist die Demilitarisierte Zone. Dort besuchst du u.a. den Dorasan Bahnhof. So nah wie es nur geht an Nordkorea kommst du aber nur mit der JSA Tour, die direkt zur Grenze führt. Meiner Meinung nach reicht es, diese Tour zu machen und sich die DMZ Tour zu sparen, denn die Grenze ist wirklich der spannendste Teil.
Was muss ich beachten, wenn ich so eine Tour mache?
- Sei dir unbedingt darüber im Klaren, wo du da hinreist. Obwohl die Touren sehr sicher sind, weiß man nie, was passieren kann.
- Bring unbedingt deinen Reisepass mit. Er wird an den Checkpoints mehrmals kontrolliert. Ohne Reisepass darfst du die Tour nicht mitmachen.
- Ziehe dir etwas Ordentliches an. Es muss aber nicht das Ballkleid sein. Normale Jeans und ein T-Shirt sind aber vollkommen ausreichend. Es geht nur darum, keine Shorts oder kaputte/zerschlissene Sachen zu tragen.
Wie teuer ist so eine Tour?
Kommt auf den Anbieter und die Tourlänge an. Eine Kombitour zur DMZ und JSA mit dem 3rd Infiltration Tunnel kostet ca. 135 Dollar. Nur die JSA Tour kostet ca. 85 Dollar.
Kann ich auch alleine in die DMZ reisen ohne Tour?
Nein. Der Besuch der DMZ bzw. der JSA ist ausschließlich über eine Tour möglich. Sei dir darüber im Klaren, dass du dich im Militärgebiet einer der gefährlichsten Grenzen der Welt befindest – da würdest du alleine und ungeschützt sowieso nicht rumlaufen wollen.
3 Gedanken zu „Die gefährlichste Grenze der Welt: Eine kurze Reise nach Nordkorea“
Vielen lieben Dank Ramin! Ich war zwar nur ganz ganz kurz drüben, aber es war auf jeden Fall ein sehr spannender und lehrreicher Ausflug. Liebe Grüße!