Sie sagten, sie hätten die Sachen geholt. Ganz inkassomäßig. Jetzt saßen wir bei ihnen im Auto, es war zwei Uhr morgens und die Jungs wollten uns unbedingt das beleuchtete Genozid-Denkmal über den Dächern von Jerewan zeigen. Schön. Wir wüssten eigentlich gerne mal, wo wir übernachten könnten.
Von Goris nach Jerewan: Klöster über Klöster
Aber von vorne. Nach unserem Trip in den Süden Armeniens war es wieder an der Zeit, zurückzukehren. Schließlich mussten wir in wenigen Tagen von Tiflis zurückfliegen. Um noch möglichst viel vom Land mitzunehmen, nahmen wir wieder ein Sammeltaxi. Da wir alleine waren, konnten wir Zwischenstopps in den Klöstern Noravank und Khor Virap aushandeln – perfekt!
Gemächlich setze sich das alte Auto in Bewegung und schlich die Bergstraße entlang. Zunächst wurden wir von ein paar Schäfchen gebremst.
Schon kurz darauf stoppten wir erneut. Denn fast überall in Armenien könnt ihr am Straßenrand frischen Honig kaufen. Super lecker! Das wollten wir uns nicht entgehen lassen.
Noravank und Khor Virap: Must-Sees in Armenien
Und was kann man jetzt für Sehenswürdigkeiten auf dem Weg sehen? Also erst einmal – extrem viele. Denn Armenien hat gefühlt tausend Klöster und Kirchen – das Christenturm ist hier tief verwurzelt. Als erstes Land der Welt erhob Armenien das Christentum sogar zur Staatsreligion. Zuerst stoppen wir in Noravank. Die Mittagshitze war erdrückend und fast nicht auszuhalten. Solltet ihr Noravank besuchen, fahrt am besten früh morgens oder spät am Abend dorthin.
Unser Weg führte uns nach einem kurzen Stopp an einer Gaststätte zu Khor Virap. Hier stiegen wir tief in die Geschichte des Klosters ein – da unten war’s zum Glück auch schön kühl. Für euch die Legende in Kurzform: 288 nach Christus sperrte der damalige König Trdat III den armen Gregor den Erleuchter in den Keller des Klosters. Warum? Er wollte ihn vom christlichen Glauben abbringen. Also musste der gute Gregor 13 Jahre da unten rumlungern. Doch Gregor konnte mehr als das: Er heilte den König in seiner Gutmütigkeit von einer eigentlich unheilbaren Hautkrankheit. Das beeindruckte den König so sehr, dass er sich selbst und seine komplette Familie taufen ließ und das Christentum in Armenien zur Staatsreligion machte. So, genug Geschichtliches für heute.
Zeit für das Drama oder: Die schrecklichste Nacht unseres Urlaubs
So, was war denn jetzt eigentlich das Problem? Lief doch alles gut, oder? Naja, wir hatten uns mal wieder in etwas verstrickt. Unser Taxifahrer hatte uns angeboten, die Nacht in Jerewan bei ihm zu verbringen. Wir hatten gehört, dass Taxifahrer oder Busfahrer das öfter einmal anbieten – also sagten wir zu.
Nach unserer sechstündigen Odysee standen wir in seiner Wohnung. Eine Einzimmerwohnung, irgendwo am Stadtrand von Jerewan, ohne W-Lan und richtigen Betten. Neben der Frage, wo wir denn eigentlich schlafen sollten und ob er dann mit uns in einem Raum schlafen würde fragten wir uns auch: Was zur Hölle machen wir hier eigentlich? Überfordert mit der Situation und unwissend darüber, wie das jetzt alles weitergehen sollte, duschten wir erst einmal – es gab natürlich nur kaltes Wasser, das mit einem Eimer über die Haare gekippt werden musste.
Was tun, wenn man nicht weiter weiß? Libanesisch essen gehen!
Nach der Abkühlung waren wir jedoch immer noch überfordert, sodass wir nur noch einen Ausweg sahen: Wir machten uns ohne Gepäck, ohne Taxifahrer und ohne Orientierung auf den Weg zu unserem Lieblingslibanesen in Jerewan (der heißt übrigens Lagonid und man kann schön draußen sitzen).
Je später der Abend, desto größer die Unsicherheit. Die Uhrzeiger näherten sich der Zwölf, und auch der Kellner wunderte sich, dass wir mit Sack und Pack beim Taxifahrer eingezogen waren. Jetzt wollten wir das nicht mehr – doch das Gepäck war immer noch dort. Wir hatten zwar die Adresse notiert, aber keine Ahnung, wie wir dorthin kommen sollten. Und eigentlich wollten wir auch gar nicht mehr dahin. Weil doof. Weil vielleicht gefährlich? Weil definitiv Nacht. Aber das Gepäck! Und morgen früh mussten wir sofort nach Tiflis weiter. Was nun?
Armenia Inkasso oder auch: Wie macht man einen möglichst peinlichen Abgang?
Connections hieß das Zauberwort. In Goris hatten wir in unserer Unterkunft Gor kennengelernt, einen jungen Regisseur aus Jerewan. Wir klagten ihm in WhatsApp unser Leid. Wo unsere Sachen denn wären? Ja da und da. Okay, er schicke seine Freunde, die holen die Sachen. Okaaaaay. Was geht hier eigentlich ab? Wo wir wären. Bei Lagonid. Er war so verdutzt, dass er gar nicht mehr fragte warum wir gerade jetzt beim Libanesen säßen und unser Gepck in irgendeinem Vorort in der abgewrackten Einzimmerwohnung eines x-beliebigen armenischen Taxifahrers rumlag. Daher entsandte er einfach das Armenia Inkasso, bestehend aus zwei seiner Freunde. Der arme Taxifahrer.
Da wir Gors Freunde nicht kannten, merkten wir erst zwanzig Minuten später, dass sie die ganze Zeit mit unseren Tischnachbarn redeten, bis sich schließlich herausstellte, dass sie eigentlich zu uns wollten. Sie sagten, sie hätten die Sachen geholt. Ganz inkassomäßig. Wir gingen zu ihrem Auto und sahen unsere Rucksäcke im Kofferraum. Allerdings fehlten ein paar Sachen, darunter der Honig vom Straßenstand. Wir müssen nochmal zum Taxifahrer, sagten wir ihnen. Das ginge nicht, sagten sie. Ein Blick auf die Uhr: Zwei Uhr morgens. Der arme Taxifahrer. Aber Bauchgefühl ist Bauchgefühl.
Nachts ohne Plan durch Jerewan
Kommt, wir unternehmen noch was! Jetzt saßen wir bei ihnen im Auto, es war zwei Uhr morgens und die Jungs wollten uns unbedingt das beleuchtete Genozid-Denkmal über den Dächern von Jerewan zeigen. Schön. Wir wüssten eigentlich gerne mal, wo wir übernachten könnten.
Wir bedankten uns für die Hilfe und erklärten, dass es uns im Nachhinein einfach zu unsicher vorkam, beim Taxifahrer zu übernachten. Da antwortete einer der Jungs, Armen: Aber uns kennt ihr doch im Prinzip auch nicht. Hmm. Da war was dran. Nachdem wir die halbe Nacht Sightseeing gemacht hatten, überredeten wir sie, uns bei einem Hostel abzusetzen und zum Glück war dort noch ein Zimmer frei.
Und noch einmal zum Taxifahrer
Wir schliefen schlecht. Schließlich mussten wir am nächsten Morgen noch einmal zum Taxifahrer, um unsere restlichen Sachen zu holen und um uns zu entschuldigen. Eigentlich war er ja nett, aber trotzdem. You never know. Als wir ankamen, war er immer noch etwas sauer und verwirrt vom nächtlichen Besuch der Jungs. Wir bedankten uns und schenkten ihm einen kleinen Schutzengel für sein Taxi. Jetzt stand uns nur noch die Fahrt nach Tiflis bevor – im Sammeltaxi bei über 35 Grad Außentemperatur.