Diesen Spruch habe ich von einem bolivianischen Händler geklaut. Er sagte dies zu mir, als ich mich mit ihm über die Transportmittel in seinem Land unterhielt. Ich finde, treffender kann man es nicht beschreiben.
Infrastruktur Bolivien – da ist noch Luft nach oben
In Potosí angekommen möchte ich meinen Bus wechseln, um in die Hauptstadt Sucre weiterzufahren. Die absolut bemerkenswert ausgefuchste, bolivianische Infrstruktur hindert mich selbstverständlich daran. Denn in Potosí gibt es mehrere Busbahnhöfe, und der mit dem Bus nach Sucre befindet sich genau am anderen Ende der Stadt. Das entspringt natürlich reinster Logik, denn einer der am häufigsten befahrenen Strecken ist die meinige, von Uyuni nach Potosí und dann weiter nach Sucre. Ich werde halbherzig zum Taxistand weitergewiesen, denn die dreistündige Taxifahrt ist mit umgerechnet fünf Euro genauso teuer wie eine Fahrt innerhalb Potosís mit anschließendem Bus nach Sucre.
Kann die herumbaumelnde Marienstatue im Taxi mich wirklich retten?
Mir ist mulmig zumute, denn jetzt ist Intuition und ein kleines bisschen Vertrauen gefragt. Ich streife an den Taxen vorbei und lasse mir mehrere Angebote vorschlagen. Schließlich quetsche ich mich mit vier anderen Personen in ein tiefergelegtes Auto, verfrachte noch schnell die frischgekauften Backwaren des Taxifahrers in die letzte freie Ecke, sodass ich mich in die Mitte zwischen einem mit Goldzähnen bestückten Geschäftsmann und einen anderen Typen quetsche, der mit mir unbedingt über das Wetter reden will. Vorne sitzt noch ein weiteres Mädel, was mir ein kleines bisschen mehr Zuversicht gibt.
Die Holperfahrt beginnt. Im Takt der kleinen Steinchen auf der zum Glück recht neu ausgebauten Straße wippt eine noch in Plastikbeutel eingepackte Marienstatue zusammen mit Rosenkranz und Duftbäumchen. Dieses Duftbäumchen scheint in Bolivien so ziemlich jeder zu besitzen, es trägt die Farben der amerikanischen Flagge und die Aufschrift „Lemon“. Unser amerikanischer Mitstreiter in der Uyuni Salzwüste hatte sich damals gewundert, warum man mit seinem Land ausgerechnet Zitronen verbindet.
Die Dunkelheit legt sich über die karge Landschaft, am Straßenrand blitzen tausende von Kreuzen auf und ich hoffe, dass diese sich auschließlich vor Ausbau der neuen Straße angehäuft hatten. In Bolivien begrüßt man sich mit Lichthupe. Und zwar jeden. Naja, zumindest jeden, der Licht an seinem Auto besitzt – und das sind auf dem ersten Blick nicht besonders viele. Dafür haben die anderen dann eine ganze Diskolandschaft auf ihrem Auto, am beliebtsten ist die grellblaue Lichterkette rund ums Nummernschild.
Unser Fahrer lehnt sich in die Kurven, meine beiden Nachbarn schlafen bereits. Ich rufe mir die Adresse eines Hostels in Erinnerung, nur für den Fall der Fälle. Nach einiger Zeit fragt das Mädel, wie weit es noch sei. Der Fahrer antwortet: noch eine halbe Stunde. Ich erhasche einen Bick auf den nächsten Kilometerstein und muss innerlich laut auflachen. Dreimal eine halbe Stunde wird es schon noch dauern, weiß ich.
Mit Eliana unterwegs in Sucre
Nach mehr als drei Stunden trotz hoher Geschwindigeit kommen wir im nächtlichen Sucre an. Das Mädel dreht sich zu mir um und fragt, ob ich schon eine Unterkunft hätte. Nicht so wirklich. Wir fragen den Taxifahrer nach einem Hostel. Er empfiehlt uns ein paar und wir klappern einige ab. Schließlich checken wir zusammen in einem Hostal ein und teilen uns ein Zimmer. Eliana, so heißt sie, arbeitet für die Stadtverwaltung in Santa Cruz und ist gebürtige Bolivianerin. Sie ist von der Arbeit aus in Sucre unterwegs und will morgen zurück nach Santa Cruz. Doch ihre Arbeit hatte ihr bisher weder Flug noch Busfahrt organisiert. Irgendwie wunderte mich das mittlerweile noch nicht einmal mehr.
Augen und Ohren auf bei der Buswahl – das übliche Chaos
Der nächste Tag begann dementsprechend mit einem Ausflug zum Busbahnhof. Die Situation am Busbahnhof ist eigentlich immer die gleiche. Die einen schreien „LaPazLaPazLaPazLaPaz“, die anderen „PotosiiiiPotosiPostosiiiiii“, die nächsten „CochabambaCochaCochaCochabamba“ und „SahtaCruuuuuuuz“. Dann kämpft man sich an den am Boden sitzenden, Götterspeiseverkaufenden Menschen vorbei, denn ja, in Bolivien wird ganz ganz viel Götterspeise gegessen. Nächster Schritt: Die Stände der Busorganisationen genau betrachten, schauen, ob die Busfotos professionell aussehen, ob sie „Cama“ (Sitze, die man weiter nach hinterklappen kann) verkaufen – denn die neueren Busse sind meistens die mit Cama.
Ich wollte eigentlich nach Cochabamba weiterfahren, das war mein Plan. Doch nachdem ich hörte, das alle Fahrten dorthin nachts ankommen und ich von mehrern Leuten gehört hatte, dass es dort nicht so viel zu sehen gab, entschied ich mich, direkt nach La Paz zu fahren. Ich wäre ohnehin nur wegen des Namens dort hingefahren, denn Leute – Cochabamba, das hört sich doch total groovig an, als müsste man diesen Namen einfach tanzen. Ihr merkt, ich gehe durchaus rational mit meiner Städtewahl um.
Bolivien und Dinosaurier?
Eliana weiß nicht, was sie tun soll, denn ihre Arbeit hat immer noch keinen Plan, ob, wann und wie sie zurück nach Santa Cruz soll. Die Lösung gestaltete sich wie folgt: wir fuhren mit dem Taxi in den Dinosaurierpark. Fand ich jetzt nicht so wahnsinnig spannend, aber gut. Den Rest des Tages schlenderten wir durch die Stadt, wobei mich Eliana äußerst liebenswürdig auf alle Gringos aufmerksam machte, die sie erspähte. Ich sei aber ihre gringo amiga und die beste gringa, so beteuerte sie es mir. Hmm, danke…Ein Australier-Gringo hatte es Eliana sehr angetan, woraufhin ich meine ganze Gringopower einsetzte und die beiden Jungs anquatschte – um mich dann mit ihnen für das Fußballspiel Deutschland gegen Brasilien zu verabreden.
Hokuspuskus Simsalabim: Meine erste Lebensmittelvergiftung in Bolivien
Ein absolutes Highlight war das Essen auf dem Zentralmarkt. Inmitten von hundert anderen Bolivianern im dritten Stock des Markts aß ich mein erstes Mondongo (bolivianisches Gericht mit Fleisch, Kartoffeln und einer scharfen Soße) und trank mein erstes Linaza, ein Getränk, das bei der Verdauung helfen soll. Was genau es war, weiß ich bis heute nicht. Als Nachtisch gab es dann einen Pudding im Plastikbecher auf die Hand, während wir uns erneut mit dem kleinen, wackeligen Bus zum Busbahnhof aufmachten. Jetzt können wir ja gemeinsam spekulieren, welches Essen mir die Lebensmittelvergiftung am nächsten Tag beschert hat.
Deutschland – Brasilien 7:1, und im Goethe Institut gibt es Apfelstrudel
Das WM-Spiel stand an. Jarmo aus Finnland und Tom aus Australien waren beide für Brasilien, während Eliana und ich natürlich Deutschland anfeuerten. Denn wenn Brasilien spielt, sind alle Lateinamerikaner grundsätlich für die andere Mannschaft. Durch Zufall landeten wir im Goetheinstitut, mit rund 50 weiteren deutschlandbegeisterten Bolivianern, Apfelstrudel und Bier. Eliana hatte inzwischen großzügerweise von ihrer Arbeit eine Busfahrt nach Santa Cruz spendiert bekommen und verabschiedet sich nach der ersten Halbzeit. Den Spielverlauf kennt ihr ja, danach hatte ich einen großen Spaß daran mit Jarmo durch die Straßen zu laufen und jedem auf die Nase zu binden, dass ich aus Deutschland komme.
Mit Lebensmittelvergiftung mountainbiken – semigute Idee
Am nächsten Tag stand eine lange Mountainbike-Tour rund um Sucre an. Die Lebensmittelvergiftung hatte über Nacht um sich gegriffen, doch ich wollte zumindest versuchen, mitzufahren. Fataler Fehler. Ich hab gar keine Lust darüber zu schreiben, denn mir gings am Ende des Tages wirklich richtig scheiße. Und da war ja noch was…genau…mein Bus nach La Paz. Ich versuchte, die Fahrt für diesen Abend zu canceln. War nicht mehr möglich. Ich ließ die Fahrt verfallen und buchte mich für eine weitere Nacht im Hotel ein. Jarmo begleitete mich noch zum Supermarkt, stopfte Wasserflaschen, Bananen, Nüsse und Joghurt in meinen Rucksack und brachte mich zum Hotel. Ich schlief 13 Stunden.
Wie ging es weiter? Lies nach, was mich in La Paz erwartete und warum es dort tote Lamaföten zu kaufen gibt.
2 Gedanken zu „„In Bolivien ist alles möglich, aber nichts sicher““