Wer nach Kurdistan reist, darf einen Ort nicht auslassen: Lalish. Es ist das religiöse und kulturelle Zentrum der Jesiden und einer der mysteriösesten Orte, an denen ich jemals gewesen bin.
Eine Reise nach Lalish ist wie eine Reise zu einem anderen Planeten. Von jedem/jeder Jesid*in wird erwartet, dass er/sie einmal in ihrem Leben nach Lalish pilgert.
Lalish – was macht diesen Ort so besonders?
Das heilige Zentrum der Jesiden wird streng bewacht, an der Einfahrtsschneise gibt es einen extra Checkpoint. Hintergrund ist, dass die Jesiden seit dem zehnten Jahrhundert bis an die 70 Genozide erlebt haben. Als der IS 2014-2017 die Kontrolle über weite Teile des Nordiraks inne hatte, töteten, entführten und versklavten dessen Kämpfer tausende Mitglieder der ethnisch-religiösen Gruppe. Zehntausende waren gezwungen zu fliehen.
Lalish ist so heilig, dass in der gesamten Stadt keine Schuhe getragen werden dürfen. Kurz bevor man Lalish betritt, müssen die Schuhe ausgezogen werden und man kann entweder barfuß oder mit Socken weitergehen.
Selbst die Bauarbeiter, die auf ihren Gerüsten herumgeklettert sind, hatten keine Schuhe an, sondern nur Socken. Im Winter kann ein Besuch mitunter also recht kalt werden und abseits der festen Wege liegen viele kleine Kieselsteinchen, sodass es dort etwas ungemütlicher ist, barfuß zu gehen.
Geheimnisvolle Riten, mysteriöse Bräuche: Lalish ist das heilige Zentrum der Jesiden
Lalish zieht seine Besucher durch interessante Architektur, ungewöhnlichen Riten und mystische Stimmung in seinen Bann. Hier kommen viele – so wie ich – das erste Mal in Berührung mit der jesidischen Kultur. Es gibt unzählige, geheimhinsvolle Riten und Verhaltensweisen.
Zu den wichtigsten gehört, dass man niemals auf eine Türschwelle treten sollte, sondern immer mit einem großen Schritt über sie hinüber steigen muss. Hintergrund ist, dass die Jesiden glauben, dass auf den Türschwellen Engel verweilen.
Im Zentrum von Lalish liegt der jesidische Tempel. Hier befindet sich das wichtigste Heiligtum von Lalisch: Die Grabstätte von Scheich ʿAdī ibn Musāfir, dem bedeutendsten Heiligen der Jesiden.
Im Inneren der Kirche findet man einen Raum mit vielen Tonkrügen, in denen früher Olivenöl für die Öllampen gelagert wurde. Heute wird Sonennblumenöl aus dem Supermarkt verwendet, wenn man sich umschaut, entdeckt man die ein oder andere Plastikflasche.
Mit dem Öl wurden und werden die vielen Kerzen (bestehend aus Baumwolldochten) angezündet. Ein weiteres Ritual beim Entzünden der Kerzen ist hierbei, den Baumwolldocht drei Mal über der Schale mit dem entzüdeten Öl kreisen zu lassen.
Im Raum mit den Ölkrügen findet ihr – von innen betrachtet direkt rechts neben der Eingangstür – einen großen Felsbrocken. Wer mit verschlossenen Augen drei Mal ein orangefarbenes Tuch auf diesen Felsen wirft und es dort liegen bleibt, so geht der Wunsch des Werfenden in Erfüllung.
Es gibt noch viele weitere interessante Dinge zu entdecken, bspw. sind die Türrahmen mit Eierschalen und wenigen getrockneten Blumen mit einer Kleie an die Wand geklebt. Eier sind das Symbol für den ersten Tag des Lebens und sollen den Bewohnern des Hauses Glück bringen. Außerdem gibt es ein Haus mit Fotos Verstorbener, Räume, in den trockene Brotstücke als eine Art Opfergabe gesammelt werden aber auch Zimmer, die komplett leer sind.
Fahrtzeit:
- Erbil <-> Lalish: ca. 2 Stunden (Auto)
- Lalish <-> Alqosh: ca. 45 Minuten (Auto)
- Lalish <-> Duhok: ca. 50 Minuten (Auto)
Eintrittspreise:
- Der Besuch von Lalish ist kostenlos
Wichtig zu wissen: Da es sich bei Lalish um einen wichtigen, religiösen Ort handelt, ist Zurückhaltung gewünscht. Wichtige Regeln, wie etwa, dass der ort nur ohne Schuhe betreten werden und nicht auf Türschwellen getreten werden darf, sollten eingehalten werden.