Addis Abeba, die Hauptstadt Äthiopiens, heißt übersetzt so viel wie „Neue Blume“. Doch die Millionenstadt ist alles andere als blumig.
Dunkelheit
Das Flugzeug setzt zur Landung auf. Die Reifen schürfen gegen den Asphalt, um uns herum nur Dunkelheit. Auch die Ankunftshalle des Bole International Airpot in Addis Abeba ist nur karg beleuchtet. Wir werden von ein paar Mitarbeitern in weißen Arztkitteln empfangen. Ob wir aus dem Kongo einreisen würden. Wärmebildkameras stehen bereit, daneben ein großes Poster: „Äthiopien ist ebolafrei“.
Nachdem wir unser Visum ergattert und das Gepäck abgeholt haben, erwartet uns die warme Dunkelheit von Addis Abeba. Ich glaube, ich war noch nie an so nem dunklen Flughafen. Ein Taxi bringt uns zu unserer Unterkunft. An uns vorbei ziehen dunkle Straßen, zwischendurch eine Art „Partymeile“ von Addis Abeba mit Neonleuchten.
Hunde bellen. Viele Hunde bellen. Die ganze Nacht. Im Morgengrauen singt der Muazzin. Moment mal, das ist ja gar nicht der Muazzin. Es singt jemand von der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Zeit für einen Spaziergang durch die „Neue Blume“.
Wo ist denn hier das Zentrum?
Es herrscht ein geschäftiges Treiben in den Straßen von Addis. Es gibt viele Banken und ATMs, hier einige Bettler, dort ein paar Schuhputzer, und an der Ecke einen großen Laden mit vielen bunten Schleifen und Fähnchen, Aufschrift: „The Coffin Shop“. Addis Abeba ist der Sumpf, aus dem Träume gemacht sind, ein dunkles Loch ohne Zentrum, mit gefühlt nur einer Ampel. Denn hier sagt an: Wir treffen uns an der Ampel. Es gibt ja nur eine.
Nein, Addis ist bei weitem keine Blume, nicht einmal eine Pflanze. Überhaupt gibt es hier kaum Grün. Läden reihen sich aneinander, genauso wie die Menschen, die sich auf den Märkten aneinander vorbeiquetschen. Wie soll man bloß mit dieser Stadt warm werden, wenn man nicht weiß, wo ihr Herz schlägt?
Schlägt es rund um den Piazza, was sich anhört, als sei es ein edler, italienischer Platz mit vielen Cafés. Ist es aber nicht. Oder schlägt es im Ethnologischen Museum, wo das Skelett des bisher ältesten gefundenen Menschen (Lucy) liegt? Oder vielleicht in einen der Spielhöllen im Süden von Addis, mit ihren leuchtenen LED-Lampen, der Rollschuhbahn und dem 3D-Kino?
Verrückt
In Addis ist prinzipiell alles verrückbar. In den kleinen Supermärkten wird die Ware nach vorne gezogen, da es nicht genug gibt, um die Regale zu füllen. In den Cafés in der Mall nimmt man sich einfach einen Plastikstuhl und setzt sich irgendwo hin, man baut sozusagen sein eigenes Café auf und wieder ab. Verrückt machen einen auch die Menschen, die nicht von einem lassen, weil sie verkaufen oder betteln oder musizieren oder dich einfach nur berühren wollen.
Ziegen werden durch die Straßen getrieben, nur ein paar Ecken weiter fährt die superneue Straßenbahn. Kostenpunkt: Sechs Cent pro Strecke.Doch die Bahn ist meist überfüllt, sodass man ein paar Bahnen abwarten muss. Genauso bei den Minibussen, es gilt das Gesetz des Stärkeren. Es passen ziemlich viele Menschen in einen Bus. Viel mehr Mneschen als du denkst. Viel mehr Menschen als ich dachte. Nicht so wie in Korea, wo sie sich alle lieb und nett an der Bushaltestelle anstellen.
Eine zweite Chance?
Addis kann einen erschlagen, am Anfang. Und Addis macht die Schuhe dreckig. Wobei das auch so ein Punkt ist: In Äthiopien hat niemand dreckige Schuhe. Das ist total verpönt, so scheint es. Überhaupt wird hier in den Restaurants und Cafés ständig gewischt. Denn es gibt kaum etwas zu tun, und es sind zu viele Leute angestellt.
Auf unserer Rückreise mussten wir also zwangsweise wieder nach Addis. Denn der Großteil der Ein- und Ausreisen geschieht über den Flughafen Bole International, da es sonst kaum Möglichkeiten gibt. Was macht man dann in dieser Stadt?
Zum Beispiel auf den Tüchermarkt Sheromeda gehen und tolle Tücher für Daheim erwerben. Oder einen 3-D-Film anschauen, 3 Euro. Getränke und Popcorn 1,50 Euro alles zusammen. Oder auf einem riesigen Plastikpferd reiten in der Edna Mall (Dem „Beverly Hills von Addis“ hmm naja…;-)).
Was sich aber auf jeden Fall lohnt ist ein Besuch des „Red Terror Museums“. Das Museum ist eine Gedenkstätte für die Opfer der Militärregierung der 70er Jahre – und unser Guide, so stellte sich später heraus, war eines von ihnen. Seine Peiniger trifft er öfter mal in den Straßen von Addis. Das tun viele der Opfer – denn die Peiniger laufen frei herum. Es ist bewegend, das Museum zu besuchen und diese Geschichten zu hören.
Ja, auf dem zweiten Blick mochte ich Addis etwas mehr. Man wusste, was einen erwartet. Man ließ sich nicht mehr von den Taxifahrern abzocken. Man wusste wohin man gehen konnte. Aber durch die Blume gesagt: Nicht meine Stadt.