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Wie ist es eigentlich so… wenn der Kollege im Auslandspraktikum Alkoholiker ist?

Auf den Alten Arbat in Moskau kriegen mich normalerweise keine zehn Pferde. Auch das Hard Rock Café dort ist nicht gerade mein Favourite Spot. Doch an diesem einen Tag hatte ich eine Ausnahme gemacht.

Wenn der Kollege neu ist…

Jochen* war nur vorübergehend in Moskau. Da wir ein hohes Arbeitsaufkommen hatten, wurde er extra aus Deutschland eingeflogen, um auszuhelfen. Er tat mir Leid – denn er wirkte überfordert und fand sich schlecht zurecht in dieser riesigen Metropole. Und Moskau kann einen wirklich fertig machen und überanstrengen. Außerdem sprach er kein Wort Russisch, was es ihm natürlich auch nicht gerade leichter machte. Aber wozu auch? Schließlich war Moskau nicht sein normaler Arbeitsplatz.

Schon zu Beginn merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Aber ich schob es auf das neue, anstrengende Umfeld. Schließlich fasste ich mir ein Herz und bot ihm an, etwas zu unternehmen. Er freute sich und schlug vor, sich beim Hard Rock Café auf dem Alten Arbat zu treffen. Also die Touri-Ecke hoch zehn, aber zumindest ein Treffpunkt, den jeder Idiot findet.

Wenn der Kollege sich besäuft…

Es war Mittag und super heiß. Die Sonne knallte und es waren bestimmt 36 °C im Schatten. Als ich ankam, saß Jochen bereits am Tisch – vor ihm ein riesiges, bereits halbleeres Bierglas. Hmm, eigentlich dachte ich ja, dass wir uns hier nur treffen würden – aber ein Getränk schadete ja schließlich nicht. Ich gesellte mich zu ihm und bestellte eine Apfelschorle – und Jochen im gleichen Atemzug sein zweites Bier. Schon der Anblick von Alkohol machte mich bei der unglaublichen Hitze gefühlt betrunken. Ich glaube, wenn ich etwas getrunken hätte, wäre ich schon nach den ersten Schlücken weggewesen.

Männer vertragen ja auch einfach mehr. Und das stellte er auch sogleich unter Beweis – denn schon bald hatte er sein zweites großes Glas leer. Als er sich die dritte Maß bestellte (während ich immer noch an meiner Apfelschorle nippte), begann ich langsam misstrauisch zu werden. Zwar redete er ganz normal, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Außerdem hatte ich auch keine Lust, den ganzen Tag im Hard Rock Café zu sitzen. Er kippte das Getränk regelrecht runter. Spätestens ab dem vierten großen Bier innerhalb kürzester Zeit war ich mir sicher, dass da ganz und gar etwas nicht stimmte. Es war ja auch mitten am Tag. Unter der Woche. Und ich hatte gerade einmal meine Apfelschorle ausgetrunken.

Ich fragte ihn, ob er denn nicht die Stadt anschauen wollte, doch er winkte ab. Er würde Moskau Schritt für Schritt erkunden – und der einzige Schritt für heute wäre erstmal das Hard Rock Café. Er winkte den Kellner heran. Ich ahnte was jetzt kam, und alle Alarmglocken sprangen an! Ich hatte schließlich noch eine wichtige Verabredung. Mit mir selbst. Und zwar irgendwo anders in dieser Stadt. Weit weg von diesem Ort. Hauptsache weg. Ich sagte ihm, dass ich noch verplant wäre und haute bei Ankunft seines fünften Bieres ab.

Starij Arbat in Moskau

Wenn der Kollege nicht auf der Arbeit erscheint…

Am nächsten Tag sollte ich eigentlich meinen Beitrag mit ihm schneiden. Aber Jochen war nirgendwo zu sehen. Ich wartete, aber er tauchte nicht auf. Nach einiger Zeit setzte ich mich mit einem anderen Kollegen zusammen. Bis meine Chefin aufgeregt ins Büro stürmte.

Sie sagte, es gäbe ein dickes Problem. Und griff sofort wieder zum Telefon. Sie schien mit einem Arzt oder Krankenhaus zu telefonieren. Nach dem Telefonat trommelte sie uns alle zusammen und erzählte, was passiert war.

Jochen hatte wohl, nachdem ich abgehauen war, munter alleine weitergetrunken bis er von ein paar Russen aufgegriffen wurde. Aus Bier wurde Wodka, und die Saueferei ging anscheinend in diversen Kneipen fortan zu dritt weiter. Ein Pinchen nach dem nächsten, bis in den späten Abend hinein.

Völlig orientierungslos und allein und sturzbesoffen hatte er versucht, nach Hause zu finden – dummerweise stolperte er im Suff über eine Bordsteinkante oder einen Gegenstand (man weiß es nicht genau) und legte sich so hart auf die Fresse, dass irgendjemand einen Krankenwagen rief und er ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Wenn der Kollege eine Straftat begeht…

So weit, so tragisch. Sturzbesoffen wurde er also im Krankenhaus behandelt. Jedoch war er anscheinend so zugedröhnt, dass er sich kaum behandeln ließ und sich aggresivst wehrte. Mehrmals stieß er den Arzt wohl weg, ließ sich nicht ruhig stellen. Auf dem Höhepunkt seines Rauschs und seiner Aggression holte er dann heftig aus und brach dem behandelnden Arzt kurzerhand die Nase.

Wenn der Kollege ausgeflogen werden muss…

Meine Chefin hing den Vormittag über nur am Telefon. Denn der Kollege musste so schnell wie möglich aus Russland ausgeflogen werden, bevor er hier verklagt werden konnte oder es sonstige Konsequenzen gab. Niemand möchte in Russland vor Gericht landen, bei der Polizei oder gar im Gefängnis.

Nachdem sie ihn irgendwie aus dem Krankenhaus bekommen hatte, setzte sie ihn direkt am gleichen Tag ins Flugzeug zurück nach Deutschland. Später stellte sich raus, dass bekannt war, dass Jochen ein starkes Alkoholproblem hatte. Tja, wäre ich jetzt gar nicht von selbst drauf gekommen 😉

*Name geändert

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